Tarifbindung im Einzelhandel 2020 wieder leicht angestiegen
Im Jahr 2020 ist die Tarifbindung im Einzelhandel bundesweit leicht angestiegen. Das geht aus einer aktuellen Veröffentlichung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Demnach legte die Anzahl der Einzelhandelsbeschäftigten bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber mit Branchen- oder Haustarifvertrag im Vorjahresvergleich um ein Prozent auf 29 Prozent zu.
Branchenübergreifend waren in Deutschland 2020 sogar noch 51 Prozent der Arbeitnehmer in einem tarifgebundenen Unternehmen beschäftigt. Dies entspricht gesamtwirtschaftlich einem Rückgang von einem Prozent im Vorjahresvergleich. Um die Tarifbindung zu stärken, ist aus Sicht des Handelsverbandes Deutschland (HDE) insbesondere wieder mehr Handlungsspielraum für die Sozialpartner gefragt.
„Für die branchenübergreifend seit Jahren leicht rückläufige Tarifbindung gibt es gute Gründe. So werden traditionelle Gestaltungsfelder der Tarifpolitik zunehmend durch den Gesetzgeber abschließend geregelt“, so Steven Haarke, HDE-Geschäftsführer für Arbeit und Soziales. Im Einzelhandel komme hinzu, dass ein teilweise veraltetes Tarifwerk die oft digital getriebenen, neuen Marktteilnehmer von einer Tarifbindung abhalte. Auch die überholten Zuschläge für Spätarbeit seien wegen der liberalen Öffnungszeiten nicht vermittelbar.
Aktuellen politischen Forderungen nach einer Allgemeinverbindlichkeit (AVE) der Tarifverträge im Einzelhandel erteilt der HDE eine klare Absage. Nach Auffassung des HDE stellt die AVE einen massiven Eingriff in die Tarifautonomie dar, der eine Ausnahme bleiben müsse und zudem besonderer Rechtfertigung bedürfe. Auch Erleichterungen bei den gesetzlichen Vorgaben für eine AVE seien strikt abzulehnen. Dies gelte vor allem für das beidseitige Antragserfordernis. „Unternehmen, die sich für eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung entscheiden, machen von ihrem verfassungsrechtlichen Recht auf negative Koalitionsfreiheit Gebrauch. Das kann man in der politischen Debatte nicht einfach ignorieren“, so Haarke weiter.
Zudem lasse sich über eine AVE die Tarifbindung in einer Branche auch nicht effektiv erhöhen, weil dadurch nicht die Akzeptanz der Tarifverträge gestärkt werde. Vielmehr erfolge eine staatlich angeordnete Erstreckung auf die nicht tarifgebundenen Unternehmen der Branche. Die Tarifbindung werde nur dann wieder steigen, wenn den Unternehmen zeitgemäße und praktikable Tarifverträge angeboten würden. „Die Sozialpartner brauchen wieder mehr Handlungsspielraum, um ihre Gestaltungskraft voll entfalten zu können. Etwa durch zusätzliche Öffnungsklauseln im Gesetz. Auch das Konzept einer modularen Tarifbindung ist sehr zu begrüßen“, betont Haarke. Damit würde insbesondere die Mittelstandstauglichkeit von Tarifbindung wieder gestärkt.